DeSim: Dezentrale Architekturen und Konzepte für die Simulation von Systems of Systems

DeSim: Dezentrale Architekturen und Konzepte für die Simulation von Systems of Systems

Die Anforderungen an Verteilte Simulationsumgebungen steigen. Liegt der traditionelle Schwerpunkt Verteilter Simulation in der performance-verbessernden Parallelisierung / Verteilung von Berechnungen über zentral erstellten Modellen, wird es jedoch in Zukunft vermehrt notwendig sein, das Verhalten von komplexen Systems of Systems (SoS) zu analysieren und zu simulieren, von Systemen also,

  • die wiederum aus komplexen und heterogenen Systemen bestehen,
  • die in loser Kopplung miteinander interagieren,
  • und die in vielen Fällen emergentes Verhalten aufweisen.

Traditionelle Methoden und Vorgehensmodelle der Simulation stoßen bei den Anforderungen der SoS an ihre Grenzen, da sie die Dezentralität weder in der Ausführung, noch (und gerade) in der Modellerstellung nicht oder nur in Ansätzen unterstützen.

Motivation und technischer Hintergrund

Forschungsarbeiten im Bereich der Verteilten Simulation haben sich bisher auf die effizientere, schnellere Ausführung großer, aber zentral modellierter Simulationen konzentriert. Hier bieten Verfahren aus den Gebieten des Parallelen Rechnens und grid-basierte Virtualisierungsmethoden gute Ansätze. So lässt sich eine komplexe Fabriksimulation zentral modellieren und beispielsweise unter Berücksichtigung von Domänenwissen in parallel ausführbare Teilschritte zerlegen (z.B. unter Verwendung von Topologieinformationen). Auf diese Art und Weise lassen sich rechenintensive Simulationsaufgaben in kurzer Zeit lösen und die so gewonnenen Erkenntnisse zeitnah in Entscheidungsprozesse einbinden.

In vielen komplexen Simulationsanwendungen ist dieser Ansatz nicht gangbar. Als Beispiel mag die simulationsbasierte Analyse einer komplexen Wertschöpfungskette dienen, die aus verschiedenen Partnern (Kunde, Retailer, Hersteller, verschiedene Zuliefererebenen) besteht. Einzelne Partner verfügen über Simulationsmodelle und entsprechende Simulationssysteme zur Abbildung der Produktions- und Logistikprozesse. Die entsprechenden Modelle repräsentieren strategisch wichtiges Wissen der Unternehmen, das aus Gründen der Informationssicherheit und des Wettbewerbs (z.B. zwischen Zuliefern) vertraulich ist. Will man nun die kompletten, unternehmensübergreifenden Geschäftsprozesse simulieren, so ist deshalb der zentrale Ansatz nicht gangbar. Vielmehr sollten die einzelnen Simulationssysteme durch lose, kommunikationsbasierte Kopplung zu einem SoS verknüpft werden.

Im Gegensatz zur eingangs beschriebenen Fabriksimulation haben wir hier neben der verteilten Ausführung auch eine dezentrale Modellierung und Steuerung der Simulation. Andere Anwendungen, in denen ein solch dezentraler Ansatz sinnvoll bzw. notwendig scheint, sind z.B. Steuerungssysteme für die dezentrale Energieproduktion, komplexe soziale und ökonomische Simulationen länderübergreifender sozio-ökonomischer und ökologischer Zusammenhänge, sowie Ansätze der Mikrosimulation.

Stand der Technik

Das Paradigma der multiagenten-basierten Modellierung und Simulation (MABS) ein viel versprechendes und aktuell rasch wachsendes Forschungsgebiet1: MABS ermöglicht die feingranulare Modellierung von Akteuren, ihrer Ziele, Präferenzen, Fähigkeiten und ihrer Interaktion, die mit den etablierten physikalischen oder zellulären Simulationsmodellen2 kaum angemessen darstellt werden kann. Agentenorientierte Modelle in der Verkehrssimulation (Hattori et al., 2010) (Luo; Bölöni, 2010) haben bereits Eingang in kommerzielle Simulationssysteme (wie Anylogic7) gefunden. Jedoch unterstützen diese Ansätze bisher nur sehr eingeschränkt Interaktion, Koordination und Kooperationsmodelle; auch die adäquate Abbildung der Modelle in verteilte Laufzeitumgebungen sucht man noch vergebens. Zudem erkauft man die zusätzliche Qualität und Akkuratheit der Modelle mit einem zusätzlichen Aufwand bei Modellierung und Ausführung.

Hier fehlen noch fundierte Vorgehensmodelle und Ansätze, dezentrale und sich evolutionär verändernde Modelle auf verschiedenen Abstraktionsebenen (Anwendungsebene, IT-Konzept-Ebene, Implementierungsebene) zu erstellen und zu verwalten. Auch die effiziente Abbildung der dezentralen Modelle auf verteilte, dezentrale organisierte Laufzeitplattformen ist erst in Ansätzen erforscht. Multiagentensysteme unterstützen sprechaktbasierte Interaktionsprotokolle zur Realisierung lose gekoppelter Interaktion zwischen Systemen (hier ist insbesondere der IEEE FIPA Standard zu nennen, s. www.fipa.org).

Um für ein Simulationsmodell nicht alles von Grund auf neu entwickeln zu müssen, existieren verschiedene Plattformen. Diese kümmern sich neben anderem um die Ausführung der Simulation und der Kommunikation der Agenten. Dabei gibt es bei den verschiedenen Plattformen viele ähnliche Komponenten

Aufsetzend auf der Programmiersprache Java erlaubt Jade (Java Agent DEvelopment Framework) (http://jade.tilab.com/) zum Beispiel die vereinfachte Implementation von Multiagentensystemen. Sie ist eine sogenannte Middle-Ware, die den FIPA Spezifikationen entspricht. Agenten können auf mehrere Rechner verteilt werden. Eine Vielzahl an grafischen Werkzeugen helfen bei der Entwicklung. So gibt eine grafische Benutzerschnittstelle dem Benutzer die Möglichkeit, Agenten dezentral zu verwalten, zu steuern und zu beobachten.

JACK (http://www.agent-software.com/products/jack/) ist eine Agenten-entwicklungsumgebung der Agent Oriented Software Group. Die Agentenentwicklung wird dabei als Erweiterung zur Objekt-orientierten Entwicklung gesehen. Dementsprechend baut JACK auf Java auf und bietet agentenbezogene Konzepte an. Der Agent Tracing Controller ermöglicht es, die Simulation und die Agenten zu beobachten.

Die MASSim (Multi Agent System Simulation) Plattform besteht aus sieben Komponenten, die über mehrere Computer verteilt sein können. Der eigentliche Kern ist in Java geschrieben und dient als zentrale Komponente für die Interaktions- und Kooperationsmöglichkeiten der einzelnen Elemente untereinander. Außerdem implementiert er den Ablaufplan des Turniers. Das Simulationsplug-in, implementiert in einer Java-Klasse, beschreibt ein diskretes, schrittbasiertes Spiel. Außerdem beinhaltet es die Logik sowie die Funktionalität der MAS-Umgebung. Die MASSim Plattform besteht zusätzlich aus den Agententeams. Diese laufen nicht auf dem Server, sondern auf der Infrastruktur der Teilnehmer. Damit wird weder die Implementierungstechnik noch die Agentenkommunikationsmethode oder der Kooperations-mechanismus eingeschränkt.

Zu untersuchende Phänomene

Das beantragte Vorhaben soll sich somit damit befassen, grundlegende Architekturen, Konzepte und Anforderungen an die dezentrale Modellierung und an dezentral organisierte Laufzeitumgebungen der Simulation von SoS herauszuarbeiten. Basierend auf diesen Konzepten und Anforderungen sollen sinnvolle Methoden, Modelle, Protokolle und Werkzeuge aus dem Bereich der Multiagentensysteme identifiziert und beispielhaft anhand für eine Klasse von Anwendungsszenarien bewertet werden (s. dazu auch Abschnitt 5, Ziele und Arbeitsplan).

Dabei soll in dem Projekt mögliche Erweiterungen der Simulationsplatform MASSim um Funktionen und Methoden zur Simulation autonomer, kooperierender Fahrzeuge (z.B. Roboter) untersucht und prototypisch umgesetzt werden. Dies ermöglicht die Betrachtung unterschiedlichster Anwendungsszenarien, von Produktion und Logistik über Verkehr und (Elektro-)Mobilität, Desaster-Management und Rettung bis hin zu Fragestellungen der kooperativen Servicerobotik.

Erweiterungen betreffen zum einen Fragestellungen einer performanten Visualisierung (3D-Modelle, Verwendung von Games Engines, unterschiedliche Perspektiven), zum anderen die Untersuchung, Integration und Weiterentwicklung von Modellen und Verfahren zur Wissensrepräsentation, zum Schließen unter Unsicherheit, sowie für Problemstellung der Kooperativen Aufgabenplanung und der dynamischen Aufgabenallokation.

Insbesondere soll untersucht werden, inwieweit die bisher entwickelten Ansätze der agentenbasierten Simulation den Anforderungen der Koordination lose gekoppelter SoS Rechnung tragen und in welche Richtungen die MASSim Plattform erweitert und ergänzt werden muss, um diesen Anforderungen zu genügen. Das Projekt soll so einen methodischen Rahmen für weiterführende Aktivitäten schaffen, mit dem Ziel einer konvergenten, ganzheitlichen Betrachtung von dezentraler Modellierung, Steuerung und Ausführung von Verteilten Simulationen.

Antragstellende Wissenschaftler

Veröffentlichungen

2016

 2015

2014

2013