Kognitiv und Empathisch Intelligente Kollaborierende Roboter (KEIKO)

Kognitiv und Empathisch Intelligente Kollaborierende Roboter

Kollaborierende Roboter (Kobots) können heute sicher und mit hoher Geschwindigkeit und Genauigkeit repetitive und wohldefinierte Aufgaben ausführen. Der Mensch zeichnet sich dagegen durch ein höheres Maß an Flexibilität und Improvisationsfähigkeit, durch soziale Intelligenz und umfassende kognitive Fähigkeiten aus – Eigenschaften, die man bei Kobots derzeit noch nicht vorfindet.

Einerseits verspricht eine Kombination dieser unterschiedlichen und komplementären Stärken erhebliche Nutzungspotentiale in zentralen Anwendungsfeldern wie beispielsweise industrieller Fertigung, Gesundheitswesen und Pflege, sowie Assistenzsystemen bei Anlagen und Fahrzeugen. Andererseits erfordert eben diese Kombination ein überaus hohes Maß an soziokognitiver und emotionaler Intelligenz der Roboter; ohne dieses ist eine flexible Zusammenarbeit in komplexen Umgebungen und mit wechselnden menschlichen Partnern unmöglich. Unter empathischer Intelligenz versteht man dabei die fundamentale Fähigkeit, mentale Zustände und Handlungsabsichten des Partners zu verstehen und darauf kontextbezogen adaptiv zu reagieren. Das Fehlen von empathischer Intelligenz bei aktuellen Kobots ist der Hauptgrund für den immer noch geringen Einsatz flexibler kollaborativer Mensch-Maschine-Teams (MMT) in der Praxis. Schon der einfachste Anwendungsfall – die situativ-einfühlsame Übergabe eines Gegenstandes, z.B. eines Werkstückes, erfordert eine aktuell nicht realisierbare Leistung des Roboters. Was Menschen intuitiv beherrschen, stellt die Maschine vor Probleme: Sie muss zum Beispiel abschätzen, ob der menschliche Partner überhaupt bereit ist, den Gegenstand zu übernehmen („Take-Over-Readiness“, TOR) und darauf entsprechend reagieren und ihre eigene Aufgabenplanung an die Situation anpassen. Die Gründe für diese Schwierigkeiten sind vielfältig. Es fehlen geeignete Daten sowie Sensorik, um relevante Zustandsmessungen (abgelenkt, interessiert, aufmerksam, …) am Menschen vorzunehmen, es fehlt die Praxistauglichkeit abstrakter Modelle, welche auf den Daten aufbauen und Mensch und Maschine gemeinsam berück-sichtigen, und, bei ungenügender Umsetzung, die Akzeptanz, falls Datensicherheit und -sparsamkeit bei diesen sehr persönlichen Daten nicht berücksichtigt wird.

Ersteres stellt die grundlegendste Forschungslücke dar: Eine wie auch immer ausgestaltete Messung am Menschen muss in der Praxis immer passiv und kontaktlos oder wenigstens – bezogen auf die Tätigkeit des Menschen – minimalinvasiv sein, um nicht mit z.B. einem Produktionsprozess oder Recyclingprozess zu interferieren. Sensorik, welche aus physiologischen Messungen (Gehirnaktivität, Atmung, Puls o.ä.) Daten zum emotionalen Zustand des Menschen sammelt, hat bisher zu inakzeptablen Einschränkungen der Arbeitstätigkeit durch Kabel, komplexe Aufbauten und Störanfälligkeit geführt. Diese Einschränkung dürfen künftige Messungen im Einsatz nicht haben. Künstliche Empathische Intelligenz (KEI) für Roboter ist ebenfalls Gegenstand aktuellster Forschung. Ergebnisse werden hier dringend benötigt, denn es existieren erschreckende Beispiele für das Fehlen von KEI in der Praxis: Zum Beispiel wurde erst nach der Einführung von Fahrerassistenzsystemen die Fragestellung aufgeworfen, inwiefern der Autopilot bei der Übergabe der Fahrzeugkontrolle durch den Autopiloten an den Menschen überhaupt weiß, ob der Mensch in dem Moment dazu bereit ist.

Die daraus entstehende Gefahr liegt klar auf der Hand; ihr lässt sich nur durch die Berücksichtigung situativ-empathischer Information begegnen. Auch in der Fertigung treten diese Probleme auf und führen zu Konflikten oder Gefahren. Zu erforschen sind demnach Methoden, durch die Kobots befähigt werden, konfliktfrei und gefahrloser Hand in Hand mit dem Menschen zu arbeiten.

Kobots stellen mithin eine wichtige Zukunftsversion für die Digitalisierung der Industrie dar. Ein Zusammenarbeiten von Menschen mit Robotern kann allerdings erst dann auf dem Niveau echter Mensch-Mensch-Kollaboration funktionieren, wenn Kobots, ähnlich zu uns, empathische Intelligenz aufweisen. Eine weit gespannte und innovative Problemstellung, die wie im Clausthaler und Göttinger Verbundprojekt „Kognitiv und Empathisch Intelligente Kollaborierende Roboter“ – KEIKO eine interdisziplinäre Anstrengung unterschiedlicher Forschungsbereiche in der Verbindung von Software- und Hardware Forschung mit Psychologie und Modellierung erfordert.

 

KEIKO: Verbundprojekt zwischen Clausthal und Göttingen am SWZ

Das Förderprojekt KEIKO entstand aus Forschungsergebnissen des von der TU Clausthal finanzierten Vorprojektes Heterogene Mensch-Maschine-Teams (HerMes). Untersucht wurde und wird die Verknüpfung von Mensch und Maschine zu einem gemeinsamen, kooperativ arbeitenden Team, in dem sich der Roboter auf den Menschen einstellt, statt der Anpassung des Menschen an den Roboter – Menschzentriertheit im eigentlichen Sinne.

In sechs unterschiedlichen Teilprojekten werden Vertrauensschätzung und -bildung zwischen Menschen und Kobots, Prädiktion von menschlichen Bewegungstrajektorien, Anpassung und Optimierung der Kobotbewegungen, menschliche Verhaltensmuster, die Erfassung physiologischer und psychologischer Parameter sowie Datenfusion erforscht.

Mit datengetriebener Modellierung von menschlichem Verhalten sowie der maschinellen Prädiktion von menschlichen Handlungsabsichten und Bewegungstrajektorien sollen Prädiktionen für die Steuerung eines Kobots erfolgen. Andererseits werden aus neuropsychologischen Untersuchungen emotionsbasierte Parameter abgeleitet, deren kontaktlose Messung im Zusammenspiel mit Wearables, am Körper getragener drahtloser Sensorik, die Datenbasis schaffen soll, die emotional einfühlsame Kobots möglich macht.

Die Erforschung von Emotion, Kognition und Verhalten, und wie diese durch Bedingungen der Umgebung und individuelle Unterschiede moduliert werden können, auch unter Berücksichtigung sozialer Aspekte; Handlungs-fehler zu erkennen aufgrund falscher gegenseitiger Intentions- und Bewegungsvor-hersagen, und die konfliktfreie Vermeidung bzw. Abmilderung von Fehlern sind somit die Ziele der Verbundforschung. Demonstriert werden sollen die Erkenntnisse an einem Kobot, der am Ende des Projektes somit befähigt sein soll, eine einfache (De-)Montage-tätigkeit Hand in Hand mit einem Menschen auszuführen.

Gefördert wird das Projekt im Rahmen des Programms SPRUNG mit über 1,7 Mio. Euro durch das Ministerium für Wissenschaft und Kultur in Niedersachsen. Ab dem 1. Januar 2023 wird KEIKO am Simulationswissenschaftlichen Zentrum Göttingen-Clausthal zentral koordiniert und am Demonstrator umgesetzt.

Verbundpartner sind Prof. Dr. Annekatrin Schacht und Prof. Dr. Florentin Wörgötter von der Universität Göttingen sowie Prof. Dr. Jörg Müller, Prof. Dr. Andreas Reinhardt und Prof. Dr. Christian Rembe von der TU Clausthal. Außerdem arbeitet Prof. Dr. Michael Prilla an dem Projekt mit, der 2022 von der TU Clausthal an die Universität Duisburg-Essen gewechselt ist.

Kickoff meeting 13.1.2023