Datenassimilation zur sensorgestützten Modellierung von Bewegungsmustern menschlicher und maschineller Akteure

Projekt 2.1: Datenassimilation zur sensorgestützten Modellierung von Bewegungsmustern menschlicher und maschineller Akteure

Forschungsfeld 2: Simulation und Optimierung heterogener Mensch-Maschine-Teams

Promotionsprojekt 2.1: Datenassimilation zur sensorgestützten Modellierung von Bewegungsmustern menschlicher und maschineller Akteure

Betreuer: Dr. A. Reinhardt und Prof. J.P. Müller

State of the Art: Mensch-Maschine-Teams treten in vielerlei Anwendungsfeldern auf, etwa bei Mischverkehren, intelligenten Objekten in Transport und Logistik oder im Bereich der Produktion. Die enge Zusammenarbeit menschlicher und maschineller Akteure auf Shopfloors moderner Industrieanlagen stellt ein weiteres wichtiges Einsatzgebiet für solche Teams dar, etwa wenn Mitarbeiter in ihrem Arbeitsalltag entscheiden müssen, welchen Weg sie durch die Werkshalle zu ihren Arbeitsplätzen nehmen. Zur Vermeidung von Unfällen arbeiten gleichzeitig auf dem Shopfloor befindliche autonome Roboterfahrzeuge derzeit reaktiv, d.h. sie erkennen Menschen und halten an, wenn mögliche Gefahrensituationen erkannt werden. Daraus resultierende Beeinträchtigungen der Produktionsprozesse werden im Sinne der höheren Arbeitssicherheit akzeptiert. Eine genauere Kenntnis der menschlichen Bewegungsmuster würde es jedoch erlauben, die Trajektorien der Maschinen so zu optimieren, dass die resultierenden Beeinträchtigungen minimal würden. Diese akkurate und realitätsgetreue Modellierung menschlicher und maschineller Akteure in praktischen Anwendungsgebieten von Mensch-Maschine-Teams, mit der Zielsetzung einer realitätsgetreuen Abbildung in Simulationen, ist Thematik vielfältiger derzeit unternommener Forschungsbestrebungen. Eine detailliertere Analyse der Artikel in diesem Feld zeigt jedoch auf, dass die Modellierung menschlicher Verhaltensweisen vorrangig auf Basis externer Beobachtungen (z.B. Daten aus statistischen Erhebungen oder Aufenthalt in Mobilfunk-Zellen) geschieht. Eine aktive Beteiligung der Nutzer – entweder durch die bewusste Bereitstellung von Daten oder die aktive Bestätigung erkannter Bewegungsmuster und Zusammenhänge – ist selten Bestandteil der eingesetzten wissenschaftlichen Vorgehensweisen. Komplementär durchgeführte Analysen deuten jedoch bereits auf den enormen Informationsgehalt nutzerbezogener Daten hin; das Forschungsfeld der Aktivitätserkennung beruht sogar maßgeblich auf derart erhobenen Daten. Um daher ein umfassendes Verständnis von Bewegungsmustern und ihren Auslösern zu erlangen, verspricht die Verarbeitung solcher Daten einen hohen Informationsgewinn, etwa zur aktuellen Gemütslage, der Zeit bis zum nächsten anstehenden Termin oder der gesundheitlichen Verfassung des Nutzers.

Forschungslücke: Moderne Sensoren, wie sie bereits heute in den meisten Smartphones oder Wearables enthalten sind, bieten eine kostengünstige Möglichkeit, Informationen über eine Vielzahl von Attributen menschlicher und maschineller Akteure zu sammeln und diese zur Erstellung parametrisierbarer Bewegungsmodelle heranzuziehen. In der Literatur werden solche physiologischen Parameter jedoch bislang kaum berücksichtigt, um Vorhersagen zu Nutzeraktivitäten und ihr Verhalten in industriellen Anlagen zu treffen. Im Rahmen dieses Promotionsthemas sollen daher drei wesentliche offene Forschungsfragen betrachtet werden, die in ihrem Zusammenspiel zu akkuraten und vielfältig einsetzbaren Simulationsmodellen für Nutzerbewegungen dienen:

(1) Entwicklung einer Richtlinie zur Sensorkonfiguration und -ausbringung, mit Hilfe derer unterschiedliche Bewegungsmuster sowie physische und emotionale Zustände zuverlässig erkannt und zueinander in Beziehung gesetzt werden können,

(2) Modellbildung und Abbildung in Simulationsmodellen; hierbei soll insbesondere untersucht werden, ob einheitliche parametrisierbare Modelle für unterschiedliche Typen von Akteuren (z.B. Mitarbeiter/innen mit unterschiedlicher Aufgabe und/oder Qualifikation im Kontext der industriellen Fertigung oder Demontage) möglich sind, oder ob eine feinere Aufgliederung erforderlich ist,

(3) Methodiken für die Evaluierung der Qualität der resultierenden Modelle und ihre Validierung

Ein aktueller Ansatz zur Anreicherung existierender Modelle mittels Daten aus Beobachtungen, der in dieser Arbeit verwendet werden soll, ist die Datenassimilation, die zusammen mit Verfahren der Massive Online Analysis in dieser Arbeit als Methodik verwendet werden soll. Als Szenario zur Evaluierung soll die Modellierung und Simulation menschlicher Trajektorien im Kontext einer Recycling-Demontagefabrik beispielsweise im Kontext der Arbeitssicherheit dienen; Betrachtungen zur Generalisierbarkeit sollen anhand weiterer weitere Szenarien z.B. aus dem Bereich der Mobilität (Fußgängermodellierung) erfolgen.

Eigene Vorarbeiten: Vorarbeiten der Antragsteller dienen als Grundlage für die Untersuchungen. Seitens der AG Müller sind dies weitreichende Vorarbeiten zur Modellierung und Extraktion von Präferenzen von Verkehrsteilnehmern z.B. auf der Basis von Votingmodellen, zur agentenbasierten Simulation soziotechnischer Systeme sowie zu mikroskopischen Ansätzen zur Modellierung von Mischverkehren unter spezieller Berücksichtigung von Fußgängern. Im Bereich der mobilen Sensorik kann Dr. Andreas Reinhardt bereits auf Vorarbeiten zu mehreren der zuvor genannten Themenkomplexen zurückblicken. Diese umfassen einerseits Untersuchungen zur Nutzung von Sensorik auf Smartphones zur Lokalisierung innerhalb von Gebäuden und die Positionsbestimmung von Smartphones durch den Einsatz akustischer Signale. Zum anderen betrachtet er im Rahmen eines aktuell durchgeführten Forschungsprojekts die Möglichkeiten der Modellierung und Approximation von Parametern aus dem Energienetz; eine Übertragbarkeit der dabei entwickelten Verfahren auf Nutzer-zentrische Daten, die mit Hilfe von Kontext-Sensorik erhoben wurden, lässt sich auf Grund der charakteristischen Muster in solchen Datenreihen erwarten. Schließlich hat er auch Verfahren für den angemessenen Schutz der Privatsphäre bei der Bereitstellung hochaufgelöster und personenbezogener Daten mitentwickelt, wie er auch im Rahmen dieses Promotionsthemas eine wichtige Rolle einnimmt.