ASimOV: Agentenbasierte Simulation des Passagierverhaltens zur Optimierung des Verspätungsmanagements im Bahnverkehr

ASimOV: Agentenbasierte Simulation des Passagierverhaltens zur Optimierung des Verspätungsmanagements im Bahnverkehr

Im Verspätungsmanagement des Bahnverkehrs wird entschieden, wie auf Verspätungen einzelner Züge zu reagieren ist. Die Fahrgäste interessieren sich dabei für die Frage, ob ein Anschlusszug auf einen verspäteten Zubringerzug warten soll, oder ob es besser ist, pünktlich abzufahren. Hinter den Kulissen sind die Prioritätsentscheidungen, welcher Zug zuerst auf welches Gleis darf, von ebenso großer Bedeutung.

Im Projekt ASimOV* soll die Auswirkung des Verhaltens der Passagiere beim Umsteigen auf das Verspätungsmanagement im Rahmen einer agentenbasierte Simulation (ABS) berücksichtigt werden.

Motivation und technischer Hintergrund

Seit etwas mehr als zehn Jahren wird das Problem der Anschlusssicherung sowie die Bestimmung optimierter Dispositionsstrategien theoretisch untersucht. Dazu sind allerdings Vereinfachungen nötig. Diese betreffen eine abstrahierte Darstellung der Infrastruktur und vereinfachte Annahmen über das Passagierverhalten. Während Simulationsverfahren zu einer gleisgenauen Belegung auch im Rahmen der Anschlusssicherung bereits existieren sind die Auswirkung des Passagierverhaltens noch nicht untersucht. Wechselwirkungen zwischen Passagierverhalten und Zugverspätungen werden vor allem am Bahnhof ersichtlich: Ist ein Anschluss knapp, steigen Passagiere schneller aus und rennen auf das geplante Abfahrtsgleis; manchmal auch, wenn schon angekündigt wurde, dass der entsprechende Zug nicht mehr da ist. Wird ein Anschluss nicht erreicht, versuchen manche Passagiere, weitere Informationen an der Anzeigentafel oder am Schalter zu bekommen, andere bummeln durch die Geschäfte. Andererseits ist auch die Abfahrtszeit eines Zuges vom Passagierverhalten abhängig: der Zug kann erst losfahren, wenn keiner mehr einsteigt -- das Eintreffen einer ganzen Kohorte kann also eine Abfahrtzeit weiter und weiter verzögern.

In den letzten Jahren ist ein Paradigmenwechsel bei der Modellierung und Simulation komplexer Netze und Systeme in Verkehr und Transport zu beobachten. Makroskopische Ansätze, die Flüsse mittels Differentialgleichungen und Unsicherheiten mittels stochastischer Modelle modellieren, werden zunehmend ergänzt (teilweise auch ersetzt) durch mikroskopische Ansätze. Agentenbasierte Modellierung und Simulation (ABMS) ist ein mikroskopisches Paradigma, das in den letzten Jahren auch im Bereich der Mobilitätssimulation -- insbesondere für die Modellierung der Verkehrsnachfrage - erfolgreich Anwendung gefunden hat. Dabei nutzen die bislang verfügbaren Modelle und Plattformen weitgehend einfache Agentenmodelle, mit denen komplexeres kognitives und interaktives Verhalten nur eingeschränkt dargestellt werden kann. Auch die beschränkte Performanz und Skalierbarkeit agentenbasierter Plattformen, die effiziente Abbildung auf parallele Ausführungsarchitekturen und die Kopplung unterschiedlicher Teilmodelle sind aktuelle Herausforderungen für die Forschung.

Projektziele

Eine Herausforderung dieses Projektes liegt in der Kopplung von zwei heterogenen Simulationen im Kontext der Optimierungsaufgabe: der makroskopischen Simulation des Bereiches Schienennetz und der mikroskopischen Simulation der Passagiere im Bahnhof. Weiterhin ist eine wesentliche Anforderung an die Simulation, dass sie gleichzeitig mit einer hohen Anzahl an verschiedenen Agenten performant und hoch skalierbar umgehen kann. Sie soll dann genutzt werden um den Einfluss des Passagierverhaltens auf die Zugverspätungen und die Disposition zu analysieren. Hier können verschiedene Einflussfaktoren, wie die Ziele der Passagiere, ihr Verhalten beim Umsteigen und der Grad der Informiertheit modelliert und untersucht werden. Außerdem können mithilfe der Simulation neue Dispositionsstrategien erprobt und bestehende Strategien verbessert werden. Zuletzt soll die Methodik der Simulation erweitert werden um einen iterativen Prozess zu gestalten, welcher abwechselnd die Simulationsroutine und die Optimierungsroutine beinhaltet. Dieser Prozess kann dann genutzt werden um Informationen aus der Simulation in dem Optimierungsschritt und Informationen aus der Optimierung in der Simulation zu nutzen. So soll es möglich sein Lösungen zu erhalten, die gut sind im Sinne der Optimierung und die sich gleichzeitig unter realistischen Szenarien im Rahmen der Simulation bewähren.

*Isaac Asimov, geb. 1920, gest. 1992; Biochemiker, Sachbuchautor und einer der bekanntesten Science-Fiction-Schriftsteller seiner Zeit.

Antragstellender Wissenschaftler