Strukturuntersuchungen zur Entstehung und Fortpflanzung von Verspätungen in Verkehrsnetzen - Modellierung, Simulation und Optimierung eines stochastischen Netzwerks

Strukturuntersuchungen zur Entstehung und Fortpflanzung von Verspätungen in Verkehrsnetzen - Modellierung, Simulation und Optimierung eines stochastischen Netzwerks

In diesem Projekt sollen Modelle entwickelt und untersucht werden für die Entstehung und Verbreitung von Verspätungen in Verkehrsnetzen. Mit analytischen und simulativen Ansätzen soll untersucht werden, welche Maßnahmen die Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit des Verkehrs verbessern können. Es sollen Methoden entwickelt werden, die es erlauben, verspätungsrelevante Schwachstellen eines Netzes zu erkennen und die Vorhersagen ermöglichen über die Auswirkung von Eingriffen in das Netz. Insbesondere sollen Werkzeuge zur Erstellung von Fahrplänen, die 'robust' gegenüber kleineren betriebstypischen Verspätungen sind, entwickelt bzw. weiterentwickelt werden.

Die Arbeiten beziehen sich in erster Linie auf den Bahnverkehr, jedoch sollen Modelle und Ergebnisse so allgemein formuliert werden, dass sie auf verschiedene Verkehrsnetze (Flugverkehr, Busverkehr, ...) übertragbar sind.

Motivation und technischer Hintergrund

Die (vor allem wirtschaftlichen) Auswirkungen von Verspätungen können mit folgenden Stichworten umrissen werden: geringere Akzeptanz des Verkehrsmittels durch Kunden, Produktivitätsverluste durch Blockierung knapper Ressourcen (Flugzeuge/Züge, Luftraum/Schienen, Flughafen/Bahnhof), erhöhter Energieverbrauch und Umweltbelastung.

Verspätungen entstehen durch singuläre externe Störungen (Wetter, technische Störungen, Verzögerungen beim Be-/Entladen oder Ein-/Aussteigen), durch das „Aufschaukeln“ aus kleineren Verzögerungen und durch die Übertragung entlang von Ereignisketten, besonders beim Umsteigen von Passagieren und aufgrund der beschränkten Kapazitäten der Flughäfen, der Bahnhöfe oder der Gleise. Nicht Gegenstand dieses Projekts sind größere Störungen, die etwa durch Unfälle oder andere seltene Ereignisse hervorgerufen werden.

Mögliche Gegenmaßnahmen zur Verringerung von Verspätungen sind u.a.: Erhöhung der Zeitpuffer in den Fahrplänen, Entkoppelung der Prozessketten (z.B. keine Wartezeit auf verspätete Zubringer), Verbesserung bestimmter Prozessglieder etwa durch eine Stabilisierung der Zeitdauern, Berücksichtigung der beschränkten Kapazitäten schon bei der Linienplanung und Erhöhung der Kapazitäten durch Verbesserung der Infrastruktur.

In diesem Projekt soll untersucht werden, wie die Auswirkungen von Verspätungen gering gehalten werden können, sowohl auf der langfristigen infrastrukturellen Ebene, auf der strategischen Ebene durch Gestaltung von Linien- und Fahrplänen, wie auch kurzfristig operational durch geeignete Disposition im Falle verspäteter Züge.

Zur Untersuchung dieser Fragen gibt es verschiedene methodische Ansätze. Zum einen kann man Ansätze der ganzzahligen Optimierung benutzen, die bereits zur Ermittlung von Fahrplänen eingesetzt werden. Diese Modelle müssen um eine Verspätungskomponente und Robustheitsziele erweitert werden. Die Schwierigkeit besteht hier vor allem darin, eine so einfache Darstellung der Verspätungen und ihrer Auswirkungen zu finden, dass das Problem noch lösbar ist für Netze realistischer Größe. Dieser Ansatz wird von der Arbeitsgruppe Schöbel an der Universität Göttingen verfolgt.

In den Arbeitsgruppen Hanschke und Kolonko der TU Clausthal wird das Verkehrsgeschehen unter Störungen mit Hilfe der stochastischen Simulation untersucht. Dadurch ist eine relativ realistische Nachbildung der Verspätungen und ihrer Fortpflanzung möglich, allerdings ist man zur Optimierung der Fahrpläne auf heuristische Verfahren wie etwa genetische Algorithmen angewiesen.

Im Rahmen dieses Projekts sollen die beiden Ansätze zusammengebracht werden mit dem Ziel, die unterschiedlichen Kompetenzen der Partner und die unterschiedlichen Stärken der beiden Strategien auszunutzen, um die wissenschaftliche Durchdringung der Fragestellung voranzutreiben und realitätstaugliche Instrumente für die Anwendungen zu entwickeln.

Zu untersuchende Phänomene

Besondere Schwierigkeiten ergeben sich daraus, dass es sich bei der Bewertung von Fahrplänen um eine mehrkriterielle Fragestellung mit teilweise zuwiderlaufenden Zielen handelt: zusätzliche Wartezeiten aufgrund von Verspätungen (verpasste Anschlüsse) lassen sich durch eine Erhöhung der Pufferzeiten (Haltezeiten) verringern, dies erhöht aber die fahrplanmäßige Reisezeit. Umgekehrt führt eine Verringerung der Puffer von einem gewissen Punkt an dazu, dass das System sehr empfindlich auch auf kleinere Verspätungen reagiert. Mögliche Gegenmaßnahmen erfordern oft umfangreiche Investitionen, die gegen die Vorteile der Verspätungsverringerung abgewogen werden müssen.

Eine Modellierung der Verspätungen muss insbesondere die Verzahnung der Verkehrsbewegungen auf den verschiedenen Ebenen angemessen berücksichtigen: im Bahnverkehr können Verspätungen z.B. übertragen werden durch das Warten auf verspätete Anschlüsse oder durch das Einhalten von Mindestabständen zu verspäteten Zügen. Hinzu kommen Kapazitätsengpässe der Bahnhöfe und beschränkte Verfügbarkeit von Fahrzeugen (Umlauf). Noch komplexer sind die Abhängigkeiten etwa im Flugverkehr, wo zusätzlich auf individuelle Passagiere und umsteigende Crews gewartet wird und Maßnahmen der Flugsicherung ebenso wie die komplexen Bodenprozesse weitere Quellen für Verspätung sein können.

Veröffentlichungen

2014

2013